Wie schon früher beschrieben, ist das Frühstück im Britannia immer ein stilvoller Einstieg in den Tag. Am Haupteingang zum grossen Saal stehen jeweils meistens drei bis vier schmuck gekleidete Dispatchers bereit, die uns auf Geheiss und nach Zuteilung einer Tischnummer durch den Oberdispatcher flink und zielsicher zu einem für uns geeigneten Tisch führen. Die Auswahl an Köstlichkeiten, aus denen der verwöhnte Gast dann seine Wahl zusammenstellen muss, ist gross und gewöhnungsbedürftig:


Gut genährt und schon wieder leicht schläfrig machen wir uns nun auf den Weg zum Deck 7, wo wir die geplanten fünf Runden drehen. Auch heute ist wieder eine ganze Völkerwanderung unterwegs und Überholen ist manchmal schwierig. Aber wir setzen uns durch (Trille first) und wollen jetzt einmal die oberen Decks kennenlernen, von denen wir bisher ja nur die Bibliothek gesehen haben. Es gibt auf dem Schiff keine „restricted areas“, ausser den sicherheitsrelevanten Bereichen natürlich, und wir staunen nicht schlecht, als wir auf Deck 12 und 13 plötzlich vor schweren Eichentüren stehen, die der kleine Mann sonst nur aus Film und Fernsehen kennt oder von der Direktionsetage der Schweizerischen Nationalbank.

Was diese Staterooms wohl kosten werden? Nun ja, nichts wie weg, bevor sich eine schwere Pranke auf unsere Schultern legt und deren Inhaber wissen will, was wir wissen wollen, es gibt ja noch genügend andere interessante Dinge zu entdecken. Denn nun sind wir zuoberst auf dem Schiff, noch oberhalb der Brücke, quasi auf dem Dach der Queen und blicken rund 40 Meter hinunter auf das gischtende Wasser und zum fernen Horizont. Dieser Platz wäre für Leo und Kate mindestens ebenso gut gewählt gewesen wie ganz vorne im Bug des Schiffes. Heute sind wir Kings of the World!


Der Wind ist beträchtlich, aber nicht kalt und wir spazieren das ganze Schiff auf und ab, am Hubschrauberlandeplatz vorbei und einem grossen, jetzt aber menschenleeren Sonnendeck, wir lassen uns von den Radar- und Antennenanlagen beeindrucken und wissen, dass wir unser Tagebüchlein auch über diese Einrichtung in die Welt hinausgepustet haben. Die QM2 verfügt nur über einen einzigen Hauptkamin, im Gegensatz zur Titanic, die mit vier grossen Schornsteinen ausgerüstet war (von denen eins allerdings nur ein Deko-Kamin war, danke, Moni). Dazu kommen noch zwei Zusatzkamine, deren Aufgabe sich uns Laien aber nicht erschliesst.


Und hier spüren wir das erste Mal, dass wir uns vielleicht doch nicht unbedingt auf einem Ökoschiff befinden – die Abgase sind stechend scharf und intensiv und ich bin froh, mich ihnen nicht permanent aussetzen zu müssen. Ich frage mich aber, ob es wirklich Spass machen kann, auf dem Achterdeck des Schiffes, wenn auch etwas tiefer gelegen, im Pool oder Whirlpool zu planschen, wenn man sich gleichzeitig die Nase zuhalten muss. Nun ja, jeder kann und keiner muss.
Auf Deck 11 kann man die Brücke betreten. Den strengen Offizieren die Hand zu geben oder sie in ein unverbindliches Schwätzchen zu verwickeln, ist allerdings technisch nicht möglich, denn ihr Arbeitsraum befindet sich hinter einer Scheibe, an der wir uns unsere Nasen plattdrücken dürfen. Fotografieren oder Filmen ist aus unbekannten Gründen verboten, aber zweifellos unterstreicht dies die Ernsthaftigkeit ihrer maritimen Arbeit, auch wenn die meisten Officers nur einfach stur geradeaus blicken, auf ein Radarbild (von denen es eine ganze Menge gibt) oder aufs Meer hinaus und von ihren Schätzchen träumen, die sie fernab des Dampfers mit Tränen in den Augen an der Kaimauer von Hamburg, Southampton oder Le Havre verabschieden mussten. Sehr lustig finden wir wiederum die Sessel, welche die Jungs (wir haben nur eine einzige Frau gesehen, wahrscheinlich die, welche jeweils um 12 Uhr die deutsche Übersetzung der Kapitänsansprache in die Bordanlage krächzt) für ihre Arbeit verwenden: es sind eigentliche Coiffeurstühle, die zwar sehr bequem, aber gleichzeitig auch sehr altertümlich, ja nostalgisch wirken. Ob es ein (ungeschriebenes?) Gesetz gibt, wonach Kapitänssitze immer rot gestrichen sein müssen und den Charme des 19. Jahrhunderts zu versprühen haben?

Die Aussenlifte, die zwischen den Decks sieben und elf zur Verfügung stehen sind eine echte Attraktion. Damit lässt sich fast ein bisschen über das Meer schweben, lautlos, sanft und fernab der Menschheit.

Der Rückweg zum Stateroom führt uns am Commodore Club vorbei (hier gibt es den Dresscode „Smart Attire“, an den sich mindestens tagsüber aber kaum jemand hält).


Verena macht einen Abstecher zur Art Gallery, wo eine Führung zu den Werken von Jack Vettriano und Fabian Perez angeboten wird („The stories behind the inspiring artists and their work“), während ich im Stateroom Tagebüchlein schreibe. Etwas Distanz tut uns im Moment ganz gut, vielleicht hat sich ganz unbemerkt ein kleiner Lagerkoller eingeschlichen, weil wir einander schon seit Tagen fast nicht mehr ausweichen können. Aber alles ist wieder gut, nachdem wir Max und Annemarie im Commodore Club zu einem Gläschen getroffen und uns über alles Mögliche unterhalten haben.
Das Abendessen ist wie immer gut und reichlich, aber mittlerweile ja schon Routine. Die Stimmung am Tisch ist wieder locker und lustig und wir lachen viel mit dem Kommissar (Rolf) und Sabine, mit denen wir jetzt endlich per Du sind.

Gegen 21 Uhr treffen wir die beiden Damen aus Osnabrück, mit denen wir ganz am Anfang jeweils abends am Tisch gesessen haben, in der Carinthia Lounge, wo eine junge Harfenistin ihrem Instrument etwas verloren wehmütige Klänge entlockt . Petra, die Tochter, und ihre Mutter, die, wie wir erst später erfahren, bereits 79 ist, bedauern den Niedergang der Demokratie in Deutschland, die völlige Gleichschaltung der Presse, den Umstand, dass die Meinung von 30% der Bevölkerung ignoriert wird und dass die CDU so weit nach links abgedriftet ist. Wir hören Argumente, die sattsam bekannt sind und denen ich nichts abgewinnen kann – trotzdem ist es beeindruckend zu sehen, wie geistig rege die ältere Dame noch immer ist, wie druckfertig (durchaus nicht wie auswendig gelernt) sie formuliert und wie interessiert sie an den politischen Gegebenheiten in der Schweiz ist (ob ich dafür wirklich der geeignete Gesprächspartner bin?). Vielleicht hat ihre Lebhaftigkeit auch mit ihrer früheren Tätigkeit zu tun, als sie noch Journalistin beim Bayerischen Rundfunk war. Recht spät entschwinden wir in unsere Gemächer, wir nach einem kurzen Deckspaziergang auf Deck 6, sie, wen wundert’s?, auf einer höher gelegenen Etage, wahrscheinlich hinter schweren, kostbaren Eichentüren. „Und man macht aus deutschen Eichen keine Galgen für die Reichen“, ruft mir Heinrich Heine noch schalkhaft zu, bevor wir die Uhren erneut eine Stunde zurückdrehen und uns in die Kissen fallen lassen.






Ich muss immer wieder staunen, wenn ich eure Beschreibungen lese. Sicherlich gibt es jeden Tag Neues zu entdecken, oder? Das euer Schiff nur einen Schornstein hat, war mir gar nicht aufgefallen. Der vierte Schornstein der Titanic war ja eh gefakt.
Eine sehr spannende und vor allem ehrliche Berichterstattung von der tollen Atlantikreise in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten , den Vereinigten Staaten von Amerika . Da wird uns , als ehemalige DDR Bürger ( im Tal der Ahnungslosen – sprich Dresden geborenen ) wieder einmal bewusst , was der Begriff Reisefreiheit bedeutet . Denn
diese schönen und vor allem unvergesslichen Momente konnten knapp 17 Millionen Menschen nicht erleben .
Ein Dankeschön für die tolle , tägliche Reisedokumentation und viel Spass weiterhin für Verena & Jürg , besonders beim ersten Blickkontakt mit der Statue of Liberty .