Es ist zum Heulen, oder sagen wir: zum Weinen und der Himmel macht es uns vor. Heute werden wir wohl nicht mehr so viele Schritte machen:

Da wir das Fenster im Hotelzimmer nicht öffnen können, entgeht uns der Duft der Grossstadt, wenn er sich mit frisch gefallenem Regen mischt und als Dampf wieder aufsteigt. Das ist aber nicht schlimm, denn bei der heutigen Kälte dampft sowieso nichts und wir sind ganz froh, als wir uns nach dem letzten Frühstück in der von uns so geliebten Leichenhalle (die inzwischen aber kräftig beheizt worden ist) auf den Weg zu einer vom Wasser geschützten, warmen U-Bahn-Haltestelle aufmachen dürfen, denn wir wollen als Abschluss unseres New York-Aufenthaltes noch das MOMA (Museum Of Modern Art) besuchen.

Die U-Bahn-Haltestelle ist nicht wasserdicht, überall tropft es durch die uralten Installationen, aber auf die U-Bahn (heruntergekühlt wie an einem heissen Sommertag) ist Verlass und sie bringt uns einige Haltestellen weiter zum Museum. Leider nicht zum gewünschten, denn wir haben das MOMA mit dem Museum of Art and Design verwechselt. Da wir dieses aber gar nicht besuchen wollen, wärmen wir uns im Eingangsbereich etwas auf, spazieren durch den Museums-Shop, bleiben standhaft und kaufen nichts. Zwar hätten wir genügend Zeit, uns dieses Museum auch noch anzusehen, aber die zweimal 40 $ wollen wir uns sparen, da das MOMA ja auch nicht umsonst sein wird. Also wieder los zur U-Bahn, rein ins Getümmel und ab zur 6. Avenue 54. Strasse, wo uns das MOMA freundlich, aber leider mit geschlossenen Türen empfängt (The MOMA is temporarily closed, also geschlossen wegen zu). Das finden wir gut und finden ganz in der Nähe einen Irish Pub, wo wir uns ausgiebig vollburgern und auch das eine oder andere Bier nicht verschmähen.

Da wir nun schon an der 6th Avenue sind und der Regen etwas nachgelassen hat, spazieren wir die Prachtsstrasse auf und ab und bewundern die schönen, grossen Läden. Bei Steinway’s & Sons gehen wir sogar hinein, wo uns aber niemand eines Blickes würdigt, obwohl wir gerade heute grosse Lust hätten, uns einen weissen Flügel für 160’000 $ zu kaufen. Dafür bestaunen wir einen wunderschönen, braunen Kleinflügel, der autonom vor sich hinklimpert, ohne dass allerdings eine grosse, weisse Papierrolle durch eine geheimnisvolle Mechanik geführt würde. Alles ist Zauberhand und die abgespielte Musik erklingt in den allerschönsten Tönen. Ich beschliesse, ab sofort nicht mehr auswärts essen zu gehen und mir für das gesparte Geld stattdessen so rasch wie möglich so ein Instrument anzuschaffen.

Weil Verena davon überzeugt ist, dass wir uns das Rockefeller Center das letzte Mal nicht genau genug angeschaut haben, als wir nichts darin gefunden haben, gehen wir noch einmal hinein und schauen diesmal ganz besonders genau hin. Leider entdecken wir aber auch heute nichts ausser einem überfüllten, lärmigen Kaffee und zotteln wieder ab, weiter die 6th Avenue hinunter, wo wir irgendwann ein grosses Restaurant entdecken (wahrscheinlich mit Schwergewicht „Burger“)


und hier ist es wohlig warm, wasserdicht und die Toiletten laden zum Verweilen. Ausserdem machen sie hier ganz besonders schöne Blümchen in den Rahm und das Guetzli schmeckt hervorragend. Wir bleiben mindestens eine Stunde und machen uns dann auf den Weg zum Hotel zurück, wo wir ja unser Gepäck deponiert haben. Wir kommen noch einmal am Bryant-Park vorbei

und sehen, dass es hier ein riesengrosses, edel wirkendes, sehr elegantes Restaurant gibt. Direkt neben diesem Etablissement ist auch ein riesiges, durchsichtiges Plastikzelt aufgebaut, so dass es also möglich wäre, auch bei Regenwetter draussen zu essen, ohne durch Abgase oder Niederschläge gestört zu werden. Wir merken uns den Ort für unseren nächsten Besuch!
Natürlich sind wir immer noch viel zu früh im Hotel, aber da wir jetzt kein Zimmer mehr haben, müssen wir in der Hotel-Lobby auf den Fahrer warten, der uns um 18 Uhr zum Newark-Airport fahren wird. Die Lobby ist überfüllt mit Leuten, die kommen und gehen, aber offensichtlich gar nicht Gäste des Hotels sind. Die Lobby ist mehr so eine Art Kinderspielplatz oder Aufenthaltsraum für zufällig vorbeikommende Passanten, ausserdem gibt’s hier ja kostenloses PopCorn aus einer Maschine, die in der Mitte der Halle neben einer Säule aufgestellt ist und fürchterlich fettig vor sich hinstinkt. Nicht nur PopCorn wird hier angeboten, auch Wasser kann man haben oder einen jener klebrig-süsslichen Säfte, die wir aber nie ausprobiert haben. Mir wird schlecht und ich will los. Aber niemand macht irgendwelche Anstalten, sich auf uns zuzubewegen, uns mitzuteilen, wo wir vielleicht unser Gepäck wieder in Empfang nehmen und wo das Taxi losfahren würde. Kurz nach sechs Uhr frage ich einen Fahrer, der in einem schwarzen Gangstertruck vor dem Hotel auf jemand zu warten scheint, ob er der Fahrer zum Airport sein könnte, was er begeistert bestätigt und uns Mike, den Lobbyman, empfiehlt, der für die Herausgabe unserer Sachen zuständig sei. Jetzt geht alles sehr schnell, her mit dem Gepäck, eingeladen ins Auto und ab Richtung New Jersey. Der Fahrer am Steuer ist schweigsam, fährt ruhig und bedächtig durch das Chaos und liefert uns nach weniger als einer Stunde beim Terminal B (Swiss) ab. Rein in die Halle, weg mit dem Gepäck und wir warten wieder bei einem oder zwei Bieren (wir bestellen natürlich nicht einfach irgend eines, sondern je ein Brooklyn Lager, man weiss ja, was gut ist). Wie wir übrigens im Laufe des Nachmittags erfahren haben, hätte es auch eine Schnellbahn-Verbindung ab Penn Station zum Flughafen gegeben, die nur 11 $ und nicht 95 gekostet hätte, die wir hingeblättert haben, aber was soll’s. Wir haben alles geschafft, sind rechtzeitig am Flughafen angekommen, ohne Stress und Schlepperei und sind jetzt so richtig bereit, wieder nachhause zurückzukehren.
Rein ins Flugzeug – es ist ein todschicker A330, mit dem wir noch nie geflogen sind, mit äusserst triebhaften Triebwerken, das Flugzeug ist unendlich lang und wir unendlich müde. Wir gehen durch die erste Klasse hindurch (merken wir uns auch fürs nächste Mal), in der die Passagiere schon Platz genommen haben, dann durch die schon merklich abgespeckte Business-Class und kommen schliesslich in der Holzklasse, Reihe 25 an, in die wir uns hineinzwängen, noch rasch wetten, ab wann es vor den Fenstern wieder hell werden würde (Verena tippt auf ein Uhr New York time, ich auf drei Uhr) und schon kurze Zeit später rollen wir über den Flughafen, die Motoren heulen auf, wir werden in die Sitze gepresst und schon können wir das Lichtermeer von New Jersey und bald darauf von New York von oben bewundern. Es ist 22:10 Uhr New York time.