Unschuldig und harmlos wie immer spazieren wir die 6th Avenue uptown, als wir plötzlich beide von hinten brutal angefasst werden: ein Junkie packt unsere beiden Rucksäckchen und bedroht uns gleichzeitig mit einer Faustfeuerwaffe. Natürlich erstarren wir vor Schreck, doch noch bevor wir die Armbrust zur Verteidigung in Stellung bringen können sehen wir, wer uns so heimtückisch angegriffen hat auf dem Weg zum Rockefeller Center: der Rolf ist das, und Sabine eilt auch schon herbei, freudestrahlend und genauso überrascht wie wir, dass man sich mitten in New York einfach so über den Weg läuft! Als hätten wir einander nach 15-jähriger Abstinenz endlich wieder getroffen freuen wir uns aneinander und betreten einen Irish Pub, wo wir recht ausgiebig sitzen bleiben.

Sabine und Rolf kurz vor der Rückreise.

Die beiden werden am gleichen Nachmittag noch zum Flughafen gefahren, um dann den Rückflug nach Bonn anzutreten, während wir ja noch zwei weitere Tage im Big Apple bleiben werden. Schweren Herzens, auch mit einem leichten Anflug von Heimweh, trennen wir uns wieder, denn wir haben ja Programm und das kann nicht ewig warten. Das Rockefeller Center mit seinen mehreren megalomanischen und ultrasterilen Gebäuden

Das Rockefeller-Center

fasziniert uns wenig, auch wenn man unten recht nett hätte am Wasser sitzen und plaudern können.

Wir wollen mehr und verzichten deshalb auf die Erstbesteigung des Centers, fahren mit der Subway lieber zur Station Herald Square an der 34. Strasse und stolpern quasi ins Empire State Building. Hier wollen wir weder Aufwand noch Mühe scheuen, uns auf die 1931 eröffnete Aussichtsplattform zu begeben und kämpfen uns erfolgreich durch einen nicht enden wollenden Hindernislauf von Werbeveranstaltungen, special attractions und anderen Ablenkungsmanövern (mir kommt es vor, wie wenn ich eine Gratis-Software von einer mir unbekannten Page herunterladen möchte und schliesslich 15 Pakete eingekauft habe, die für mich völlig nutzlos sind, die mich aber erfolgreich vom eigentlichen Ziel abgebracht haben). Da mir diese fiesen Tricks ja aber eben bekannt sind, schaffen wir es doch, in vertretbarer Zeit zu den Liften vorzustossen, wo wir wie am Flughafen durchleuchtet, abgetastet und auf Unbedenklichkeit überprüft werden. Weil wir von Natur aus harmlos sind, nehmen wir alle Hürden mit Leichtigkeit und befinden uns kurz darauf im Lift nach oben. Gleich nach dem Start dröhnt auch schon eine „Info“-Veranstaltung aus dem Dach des Liftes, ein Video mit viel Ton (das scheinen die Amis wirklich am liebsten zu mögen) und noch mehr Lightshow mit allerlei special effects. Im 86. Stockwerk angekommen, müssen wir erneut einen Orientierungslauf durch verschiedene, diesmal leere, Räume bestehen, ohne aus Versehen wieder den Lift nach unten zu betreten und schon sind wir oben im 102. Stockwerk und können New York aus der Vogelperspektive betrachten.

Mir gefällt ein weisses, eher zierliches Gebäude am Allerbesten, das sich schutzbedürftig an den Busen eines viel grösseren gequetscht zu haben scheint und so wirkt, als sei es von einem Wiener Zuckerbäcker entworfen worden, zum Spielen, nicht um dort zu wohnen.

Der Blick von oben ist zwar allgemein bekannt, aber trotzdem imposant, nur schon, weil wir da oben vom Wind arg zerzaust werden (wir sind immerhin schon fast im Himmel) und weil wir einen 360-Grad-Rundumblick über die Stadt bekommen.

Noch haben wir etwas Energiereserven, die wir zu einem Abstecher zum 9/11-Memorial nutzen und uns auf den Weg zur Cortlandt-Station machen, die uns mit einer völlig unerwarteten Grosszügigkeit empfängt.

Die Subway-Station ist riesengross, sehr hell, hochmodern und Verena fühlt sich an ein Fischgerippe erinnert. Doch nun zum National September 11 Memorial – wir kommen zu zwei enorm grossen rechteckigen Trichterbassins, in die pausenlos Wasser hineinfliesst, mit viel Getöse, das alle anderen akustischen Einflüsse überdeckt.

An den Rändern der Abschrankung sind die Namen aller bekannten Opfer des Terroranschlages eingraviert und der Parkwächter kommt sofort herbeigerannt, wenn ein törichter Tourist aus der Schweiz achtlos den Fotoapparat darauf abstellt – aus Pietätsgründen mit den Opfern geht so etwas gar nicht. Wir stehen hier eine ganze Weile, lassen den Blick hinabwandern ins Wasserbecken und dann wieder hinauf zu den Spitzen der Wolkenkratzer, es ist ein ganz spezielles und sehr schwer zu beschreibendes Gefühl, das sich hier unser bemächtigt.

Trotzdem oder genau darum registrieren wir ein deutliches Hungergefühl und besteigen die Subway wieder uptown, wo wir an der Kreuzung Times Square und 42. Strasse im St. Patricks Burgers essen und französischen Wein trinken.

Alles reichlch grell und laut …
Der Popo wird auf diese Weise optimal belüftet.

Erstmals nervt es mich, dass es in New York offenbar nur die drei folgenden Verpflegungsmöglichkeiten gibt:

  • Fast Food irgendwo unterwegs
  • Italiener
  • Burgers in extrem grossen und ebenso lauten Hallen

Zweifellos wird es irgendwo die Lokale geben, wo man für 300 – 500 $ gepflegt essen kann, mit Vorspeise, Hauptgang und Dessert, wie wir das so kennen, aber obwohl wir uns diesen Luxus nicht geleistet hätten, sind uns solche Restaurants auch gar nicht aufgefallen. Inzwischen hat es angefangen zu regnen und der ganze Alltagsdreck wird langsam Richtung Hudson geschwemmt, so unsere Vermutung, nicht ohne sich auf dem Weg dahin wunderschön zu spiegeln, zu leuchten und wieder zu verblassen.

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit ergreifen, allen Lesern unseres Tagebüchleins für ihr Interesse zu danken und sie kräftig dazu ermuntern, doch nach Herzenslust ihre Kommentare dazu abzugeben, auch wenn wir nicht dazu kommen werden, diese zu beantworten!